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Interview mit Carsten Tabel.

 

C.T: Deine künstlerische Arbeit scheint geleitet zu sein von einem generellen Interesse. Deine Installationen sind multimediale Auseinandersetzung mit dem Komplex Malerei, die ihren Fokus auf den Aspekt der Farbe, also des Materials zu richten scheinen. Wie verstehst du deine eigene Praxis?

 

C.PP: Ich würde sagen, dass ich mich auf eine sehr persönliche Art und Weise an einem erweiterten Malereibegriff abarbeite. Das hat schon während des Studiums angefangen. Ich empfand die bemalte Leinwand, nicht kongruent zu meiner Empfindung für die Malerei, empfand sie als zu eingeschränkt. Das war eine Erkenntnis, die aus der Praxis heraus entstanden ist. Ich habe vorher viel auf der Leinwand ausprobiert, auch figürliche Sachen. Ich habe zum Beispiel eine ganze Sammlung von Spielzeugporträts. Und dann habe ich ganz abstrakt gearbeitet, und im mixmedia Bereich, im Bereich der Farbe, habe ich mich zu Hause gefühlt.

 

C.T: Von der Abstraktion bis zum erweiterten Malereibegriff ist es dennoch ein langer Weg, in dem man sich auch von kulturellen Zuschreibungen lösen muss. Wie hat sich deine Arbeitsweise dann weiterentwickelt?

 

C.PP: Ich habe mit Materialversuchen angefangen, ganz langsam, Schritt für Schritt. Nach einer gewissen Zeit hat sich dann eine Erzählung für mich immer klarer herauskristallisiert, und ich habe einfach angefangen mit den Videoarbeiten, den Fotoarbeiten, den Papierabeiten. Wichtig ist aber, dass ich die Malerei dann auch anders angesehen habe. Ich war in Museen unterwegs und habe Detailbetrachtungen gemacht, besonders bei Bildern, die durch ihre Geschichte und die Rolle ihrer Auftraggeber in der Geschichte, für mich eigentlich nicht runtergefallen waren. Ich habe mich dann zum Besipiel damit beschäftigt, welche Tonalitäten in der Gothik am meisten vorkamen, welches Türkis, welches Pastell in den Farben der Klamotten, und wieso? Ich wollte diesem Moment der Wahrnehmung von Malerei einen Platz geben, dem Umstand, dass da trotz Allem jemand mehrschichtig etwas erreicht hat, das total sensitiv ist. Ich versuche meine eigenen Narrative durch diesen Blick aufzubauen, meine eigene Geschichte.

 

C.T: Dein Malereibegriff ist insofern erweitert, dass er sehr inklusiv ist. Ich habe zumindest den Eindruck, dass du keine wertenden Unterschiede machst zwischen mit Kreide gemalten Straßenbildern und einem kanonisierten Gemälde im Museum. Ich finde, dein Malereibegriff hat vor allem eine hohe Integrationskraft.

 

C.PP: Das hast du ziemlich gut rekonstruiert. Malerei ist für mich vor allem ein kulturelles Gut, und das findet nicht nur im sogenannten hochkulturellen oder im akademischen Bereich statt. Das ist nur ein Aspekt. Mich interessiert der kulturelle Zugang, nicht der vermeintliche kulturelle Wert. Ich habe mich zum Beispiel lange mit Höhlenmalerei beschäftigt, als etwas Ursprünglichem. Auch auf archäologischen Objekten findet man schon früh kleine Malereien, kleine Zeichnungen. In Asien hat die Malerie geschichtlich auch eine ganz andere Bedeutung, und so weiter. Mein Kulturbegriff ist nicht akademisch, und auch nicht westlich gedacht.

C:T: Welche Praxis geht aus dieser Beschäftigung hervor? Dekonstruierst du dabei die Malerei,um sie dir langsaman wieder anzueignen, deine eigene Geschichte zu erzählen?

 

C.PP: Es gibt ein Dekonstruktionsdenken hinter meiner Arbeit, das ich auch als prägend empfinde.Das tritt auch hervor, wenn ich Sachen betrachte, wenn ich zum Beispiel ins Museum gehe, und Details angucke - da gibt es Parallelen in meiner Wahrnehmung und meinem künstlerischen Handeln. Für mich habe ich außerdem den Bergriff Dekodifizierzung gefunden. Die Codes der Malerei, die sind ja mannigfaltig, auch in ihren Bedeutungen. Natürlich gibt auch allgemeingültige Codes, die spielen auch eine große Rolle. Dann aber gibt es Codes, die sind für jeden anders – natürlich auch für mich. Es ist mein individuelles Verständnis, was ich wiedergeben kann.

 

C.T: Wie war das für dich, als du mit deiner Position nach Leipzig kamst, wo ja doch ein anderer Maleriebegriff dominiert?

 

C.PP: Das war für mich ein Lernprozess. Ich wollte das gar nicht in ein Bewertungssystem. Reinpacken, welche Malerie eine gültigkeit hat, und welche nicht. Hier gibt es eine eigene Geschichte, und die Malerie hängt nun mal auch eng mit den Prozessen der Geschichte zusammen. In diesem Fall also mit der DDR, dem Sozialismus, dem Kommunismus, wie da Geschichte repräsentiert worden ist, wie da die eigene Geschichte aufgearbeitet wurde. Ich musste erstmal lernen, was das alles heißt, wo das alles herkommt. Das empfand ich persönlich eher als Bereicherung, auch wenn das nicht der Bereich der Malerei ist, in dem ich mich zu Hause fühle. Das ist eben doch dieser erweiterte Malereibegriff. Da bin ich sehr geprägt vom Studium in Karlsruhe, von der Akademie. Aber meine Auseinandersetzung mit der Leipziger Malerei und Geschichte, versteh ich auch als Einflüsse auf meine Arbeit. Das wird sicher dauern, bis das auch sichtbar werde wird, aber das ist eben ein Prozess.

 

C.T: Du kuratierst auch Ausstellung, oft zusammen mit deinem Mann Benjamin Appel, der auch Künstler ist. Wie verhält es sich da mit dem dekonstruktivistischen Denken? 

Das Zusammenführen von Arbeiten in einen gemeinsamen Kontext liest sich wie eine Gegenbewegung zum Zerlegen der Malerei in ihre Bestandteile.

 

C.PP: Schönes Bild, das habe ich bisher noch nie so betrachte. Aber als Gegenpol sehe ich das nicht. Es ist aber auch nicht identisch mit meiner künstlerischen Praxis. Die Herangehensweise, das Denken in übergeordneten Konzepten, findet sich aber auch hier. Das ist eine ähnliche Haltung, eine ähnliche Suche, nach einer gewissen Stärke oder Intensität. In unserer kuratorischen Arbeit mit Institutionen dekonstruieren wir diese mehr als das wir hinterfragen.

 

C.T: Wie muss man sich das in der Praxis vorstellen?

 

C.PP: Wir fragen, wie es kommt, dass Austellungen so aussehen, wie sie aussehen? Wie werden hier Standards generiert? Wie kann man es möglich machen, Grauzonen zu finden, Ausstellungen zu machen, die weniger kosten, weniger ökologische Schäden verursachen und wie bringt man die Institution dazu, sich selbst zu reflektieren? Die mentale Ebene, das Konzeptuelle ist also ähnlich – in der Umsetzung ist es eine ganz andere Form von Arbeit. Da ist Pragmatismus manchmal wichtiger, da geht es darum Mails zu beantworten, Anträge auszufüllen, um Verantwortung gegenüber den Werken anderer Künstler*innen. Das funktioniert ganz anders und erfordert einen ganz anderen Umgang.

C.T: Das sind sicher Skills, die auch berreichernd in die Galerie B2 einbringen konntest. Was hat dich dazu bewogen, dich um eine Mitgliedschaft zu bewerben?
 

C.PP: Am B2 gefällt mir vor allem das Demokratische, die direkte Demokratie und dass die Galerie
sich wehrt, gegen eine reine Marktkultur. Auch wenn Marktteilnahme es natürlich einfacher macht, weil einem mehr Mittel zur Verfügung stehen, weil es Prozesse beschleunigt, einfachere Wege eröffnet. Aber mir hat diese Gegenwehr gefallen, sich als Gruppe zu organisieren. Da ist auch etwas Politisches drin, auch darin, dass man versucht gemeinsam im Diskurs zu bleiben. Ich habe mich aber nicht beworben, weil ich hier als Kuratorin 
arbeiten will, es geht eher darum Skills zur Verfügung zu stellen, die ich mir erabrbeitet habe, und die sich gut ins Team einbringen lassen, in der Projektarbeit. Es ist anders als in anderen Galerien. Es kommt darauf an, wie man sich selbst positioniert, in der Galerie, dazu, was in der Galerie passiert, was mit der Galerie passieren soll. Damit hat man eine ganz andere Verantwortung, aber auch eine ganz andere Identität. Dieses Zugehörigkeitsgefühl fand ich für mich sehr interessant und schlüssig

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